Haushaltsrede zum Doppelhaushalt 2022/2023
Sehr geehrter Herr Stock,
sehr geehrte Frau Kühlen,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine Damen und Herren,
im Jahr 2015 hat der Rat der Stadt Wegberg mehrheitlich, gegen den vehementen Widerstand des Bürgermeisters, die Aufstellung eines Doppelhaushaltes für die Jahre 2015 und 2016 beschlossen. Diesen Beschluss hat der Bürgermeister beanstandet. Letztendlich kam es nicht zur Aufstellung eines Doppelhaushaltes. Nunmehr, sieben Jahre später, hat der Bürgermeister eine Kehrtwende vollzogen. Wir beraten den vom Bürgermeister selbst angeregten Doppelhaushaltsplan für die Jahre 2022 und 2023. Rat und Verwaltung betreten haushaltstechnisches Neuland. So begrüßenswert dieser Schritt ist, umso so unglücklicher sind die Rahmenbedingungen.
Im Gegensatz zu den Vorjahren sind die Eck- und Orientierungsdaten mit vielen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten belastet. Aufgrund des Krieges in der Ukraine ist die wirtschaftliche Entwicklung nicht mit ausreichender Sicherheit einzuschätzen. Die für das Jahr 2023 angesetzten Steuereinnahmen sind mit den Steigerungsraten, die auf gute wirtschaftliche Vorjahre basieren, hochgerechnet. Für das Jahr 2023 ist aber bereits eine Rezession vom Bundeswirtschaftsminister prognostiziert.
Die Transferausgaben, hier die Kreisumlage, ist nicht mit gesicherten Daten hinterlegt. Der Kreis selbst wird seinen Haushalt voraussichtlich erst im nächsten Jahr beschließen. Bekannt ist, dass die Kreise unserer Region mit erheblichen Nachforderungen aus der Landschaftsumlage zu rechnen haben. Die prognostizierten Erhöhungen wird der Kreis Heinsberg nicht kompensieren können. Eine Steigerung der allgemeinen Umlage ist durchaus möglich.
Der Ukraine-Krieg, die hiermit verbundenen Fluchtbewegungen und die Energiekrise stellen ein nicht kalkuliertes, finanzielles Risiko dar. Der Presse der vergangenen Tage ist deutlich zu entnehmen, dass hier eine erhebliche Belastung auf die Städte und Gemeinden zukommt. Ob diese Kosten in vollem Umfang durch Bund und Land ausgeglichen werden, ist hinsichtlich der Erfahrungen mit den zurückliegenden Flüchtlingsströmen zu bezweifeln. Auch hier werden wir teilweise erhebliche Aufwendungen tragen müssen. Es ist nicht in Stein gemeißelt, dass die Stadt Wegberg auch zukünftig wegen der bestehenden ZUE Petersholz keine bzw. nur geringe Flüchtlingszuweisungen erhält.
Die derzeit nicht kalkulierbaren Baukosten stellen hinsichtlich der erhöhten Abschreibungen und der erhöhten Kreditkosten ein zusätzliches Risiko dar. Dieses Risiko ist im Bereich der Instandhaltungen für eine sichere Haushaltsführung noch viel höher. Denn hier wird im Gegensatz zu den Investitionen jeder Euro Kostensteigerung das Jahresergebnis unmittelbar belasten. Die gestiegenen Kreditzinsen und die noch zu erwartenden weiteren Zinssteigerungen belasten außerdem nicht nur die neuen, sondern werden auch unsere alten Schulden betreffen und unseren bereits vorhandenen Schuldenberg weiter erhöhen.
Die globale Minderaufwand, ca. 750.000,00 €, ist ebenfalls nicht sicher. Es steht nicht abschließend fest, dass die Personalkosten auch im nächsten Jahr aufgrund von eingeschränkter Lohnfortzahlung geringer als geplant ausfallen. Hinzu kommen weitere Risiken durch einen möglicherweisen hohen Tarifabschluss im Rahmen der laufenden Tarifverhandlungen. Die geplanten Instandhaltungen sind, wenn man der Verwaltung Glauben schenken kann, in diesem Jahr realistischer geplant, so dass positive Haushaltsaspekte aufgrund nicht durchgeführter Maßnahmen geringer ausfallen werden.
Die FDP-Fraktion ist der Ansicht, dass die Haushaltsdaten zu optimistisch geplant wurden. Dies sicherlich auch, um dem Wunsch der Verwaltung und großer Teile des Rates entsprechen zu können, das Haushaltssicherungskonzept zu beenden. Mit diesem Haushalt verlassen wir das Haushaltssicherungskonzept. Die FDP-Fraktion unterstützt den Wunsch der Verwaltung das Haushaltssicherungskonzept zu verlassen. Dies schon alleine um dem Verwaltungsaufwand, der mit dem Haushaltssicherungskonzept einhergeht, zu entgehen und wieder gewonnene Personalkapazitäten sinnvoll nutzen zu können.
Im Hinblick auf eine auch in der Zukunft zwingend erforderliche sparsame Haushaltsführung sehen wir die Beendung des Haushaltssicherungskonzeptes aber auch mit deutlicher Skepsis. Das Haushaltssicherungskonzept hat Leitplanken für eine sparsame Haushaltsführung gesetzt. Diese fallen mit der Beendigung des Haushaltskonzeptes weg. Freiwillige Leistungen werden beispielsweise wieder unbegrenzt möglich. Zwar haben die Ratsfraktionen für die Zukunft eine sparsame Haushaltsführung in Aussicht gestellt. Auch hat der Bürgermeister im Rahmen einer Klausurtagung Teile der Fraktionen insoweit auf ihre Verantwortung hingewiesen. Der FDP Fraktion fehlt jedoch der rechte Glauben in diese Absichtserklärungen. Und zwar aus zwei Gründen:
Erstens fängt die sparsame Haushaltsführung in den einzelnen Fachbereichen der Verwaltung an. Ein Abschieben der Verantwortung auf den Rat, Herr Bürgermeister, ist nicht hilfreich und verantwortungslos. Bereits in der Verwaltung muss beispielsweise bei Investitionen auf die Einhaltung geringerer, aber noch funktioneller Standards geachtet werden. Die Minderung der Standards ist seit Jahren zum geflügelten Wort in Verwaltung und Rat geworden, eine Umsetzung konnten wir jedoch tatsächlich in der Vergangenheit nicht erkennen. Auch den zweiten Grund, der uns skeptisch auf die Zeit nach Beendigung des Haushaltssicherungskonzeptes blicken lässt, begründe ich mit der Vergangenheit:
Das 2015 beschlossene Haushaltssicherungskonzept wurde seitens Verwaltung und Rat nicht konsequent umgesetzt. Beginnend über eine Sonderregelung für Straßenausbaubeiträge, über die Erhöhung der Personalkosten bis zur Schaffung neuer freiwilliger Leistungen wurde das Konzept immer wieder umgangen. Die warnenden Hinweise der Kämmerin und auch die deutlichen Mahnungen der Kommunalaufsicht wurden ignoriert. Im Ergebnis ist zu befürchten, dass die erforderliche Disziplin aufgrund der nun wiedererlangten Freiheit in der Haushaltsführung nicht erbracht wird. Die erforderliche Disziplin schulden wir aber den Bürgern unserer Stadt. Die Bürger unserer Stadt müssen nicht erforderliche Ausgaben in Form steigender Grundsteuerbeträge bezahlen. Wir greifen dem Bürger mit einer fehlenden sparsamen Haushaltsführung direkt in das Portemonnaie.
Dies vor Augen ist aufgrund der optimistischen Haushaltsplanung ein über das Haushaltsjahr durchgängiges Controlling erforderlich. Daher hat die FDP-Fraktion einen Antrag zum Investitionscontrolling gestellt. Hiermit wollen wir sicherstellen, dass Ausgaben einer gewissen Größenordnung nicht nur bei der Haushaltsplanung, sondern auch vor Durchführung der Maßnahme nochmals auf Erfordernis, Kosten und eventuelle Alternativen geprüft werden.
Der Antrag dient dazu die sparsame Haushaltsführung durchzuhalten und zu unterstützen. Ich möchte die Gelegenheit jedoch wahrnehmen nochmals an den Bürgermeister und die übrigen Ratsfraktionen zu appellieren, die sparsame Haushaltsführung in der Zukunft umzusetzen. Wir werden uns bei der Abstimmung über diesen Doppelhaushalt enthalten. Auch der Doppelhaushalt 2022/2023 greift immer noch nicht ansatzweise die von der FDP-Fraktion am 11.10.2020 und damit vor mehr zwei Jahren beantragte und vom Rat beschlossene Priorisierung der Investitionen im Haushaltsplan auf. Die Verwaltung setzt insoweit einen Ratsbeschluss nicht um. Mit der Enthaltung kommen wir unserer Verantwortung für ein Ende bzw. eine Vermeidung der vorläufigen Haushaltsführung für 2022/2023 nach.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, liebe Verwaltung, liebe Ratsfraktionen, dies ist ein Vertrauensvorschuss an Sie für eine zukünftige sparsame Haushaltsführung in politisch sehr schwierigen Zeiten. Enttäuschen Sie uns nicht!
Die FDP-Fraktion bedankt sich ausdrücklich bei ihnen, Frau Kühlen und den Mitarbeitern der Kämmerei für die geleistete Arbeit. Seien Sie versichert, dass die Fraktion weiterhin auf eine solide Haushaltspolitik drängen wird.
Für die FDP-Fraktion im Rat der Stadt Wegberg
Heinz Nießen
Fraktionsvorsitzender